Meine lieben Freunde des rhythmischen Krachs!
Das Spektakel nennt sich 2 Tage, dauern tut´s aber drei und ich war nur einen dort, in Wiesen. Wahrscheinlich wär ich gar keinen Tag dort gewesen, wenn nicht am Sonntag der nimmermüde Iggy Pop als Headliner auf der Bühne gestanden hätte.
NA15
Die 2001 (als Null.Acht.15) im Burgenland gegründete Band ist der Local-Hero-Eröffnungsact. Bisserl undankbare Zeit, 12:15, gefühlte 40 Grad im Schatten, aber die Burschen sind hochmotiviert und so finden sich gar nicht wenige Fans vor der Bühne ein und gehen mit dem Rapcore der Burschen ordentlich ab.
Ich bin ganz erstaunt, wie professionell NA15 klingen, zornige Texte, zornige Musik, gefällt mir sehr gut, den Fans vor der Bühne ebenfalls, die Mitmachaktionen werden brav umgesetzt (kleiner Einschub: das ist etwas, was ich noch nie verstanden hab.
Auf der Bühne wird von selbstständigen Denken, lass dich nicht unterordnen und Anarchie oder wotewa gesungen, aber sobald die Aufforderung “jump around”, oder “sit down” erfolgt, wird schafsherdengleich reagiert…). Diese vier Burschen beiben jedenfalls auf meinem Radar.
CANNONBALL RIDE
Die zweite österreichische Band des Line Ups, aus Oberösterreich, um es genau zu sagen, hat bereits einen Albumchartserfolg vorzuweisen, Platz 44 mit der aktuellen CD “Emerge & See”.
Es träufeln immer mehr Besucher aufs Festivalgelände, ebenso steigt die Temperatur, ich ziehe mich dezent in den Schatten zurück, in die Nähe eines Wasserhahns, und lass die fünf Burschen Screamen, Moshen und Poshen. Sehr energiegeladen, das bekomme ich in meinem bühnenfernen Domizil mit, aber leider zu weit weg für Fotos, aus diesem Grund verweise ich auf die Seite der Musikusse, da gibt´s bisserl was zu sehen:
KVELERTAK
Kurz nach 14 Uhr hatte diese Band aus Norwegen ihren Auftritt und da wurde uns Festivalbesuchern erstmals so richtig gezeigt, wo der Bartl den Most her holt. In ihrer Heimat wurde die Band bereits mehrfach ausgezeichnet, wie ich meine, ganz zurecht und ihr letztes Album erreichte Platz 1 der norwegischen Albumcharts.
Kvelertak heißt Würgegriff, und in genau so einem wähnt man sich, wenn diese sechsköpfige Höllenmaschine über einen drüberbraust. Die Texte bleiben ein unverständliches Grunzen und Keifen, aber die Art der Darbietung macht eine tiefere Interpretation sowieso überflüssig. Der laue Abendwind wird wohl ebenso wenig besungen werden wie die zarten Bande der ersten Liebe.
Kommunikation mit dem Publikum gibt es keine, dafür, man verzeihe mir bitte den Ausdruck, aber anders lässt es sich nicht beschreiben, schlatzt der Sänger öfter mal in die Luft, fängt seinen Auswurf mit der Hand und verreibt sich den Schmodder im Gesicht. Faszinierend, hab ich noch nie gesehen, scheint ein neuer Ritus innerhalb der Metalgemeinschaft zu sein.
Nach einer Stunde reicht´s dann auch mal wieder, meine Ohren pfeifen, ich freu mich auf eine Pause im Schatten.
THE LOCOS
The Locos ist eine spanische Ska-Punk-Combo, die ihre politischen Texte mit viel Spielspaß und Verve über die Bühne bringen. Nach den drei bitterbösen Bands ist es beinahe eine Wohltat, keine grimmigen Gesichter on Stage zu sehen.
Ein kurzer Wolkenbruch beschert der Band dann auch die meisten Hörer vor der überdachten Bühne, die Stimmung steigt mit zunehmendem Regen, ein kurzes Lob an die Promotionmädels von Ottakringer, welche die kondomartigen Überzieher binnen Sekunden an alle Regenschutzbedürftigen ausgeteilt hatten.
THERAPY?
25 Jahre sind vergangen, seit die Band ihre erfolgreichste CD veröffentlicht hat. Troublegum, vom Vision seinerzeit als eine der 150 Platten für die Ewigkeit gepriesen ist inzwischen mehr oder weniger gut vergessen und Zig neue Alben für alle möglichen Ewigkeiten sind gekommen und gegangen.
Nichtsdestotrotz steht das Trio fest auf der Bühne, spielt mit Freude und Elan, man fühlt sich in die frühen Neunziger zurückversetzt, als Alternativ-Rock noch fast eine Bedeutung hatte.
Die Hits gehen flockig von der Hand, Andy Cairns scheint sich zu freuen, nach 20 Jahren (damals noch Forestglade) wieder in Wiesen zu spielen.
ARCH ENEMY
Eine schwedische Melodic-Death-Metal-Band, das ist wahrlich nichts für mich, auch wenn die Sängerin, ja ganz richtig gelesen, eine Sängerin, so was wie die Kylie der Metalszene ist und bereits mehrmals zum “Hottest Chick of Death Metal”, oder wie der fragwürdige Preis heißt, gewählt wurde.
Den Fans gefällt´s, das ist die Hauptsache, es geht ordentlich die Post ab, vor der Bühne wird zünftig geschupst und gestoßen, so gehört sich das bei einem Konzert!
THE BASEBALLS
Diese Band aus Deutschland war der thematische Ausreißer des Abends. Eine Rockabilly-Cover-Band mit drei Sängern. Hm, dachte ich mir, was soll das? Stürmen gleich Kvelertak von hinten auf die Bühne und fressen die Youngsters samt ihren zugegeben schicken Creeps? Oder pfeifen die True-Metal-Fans die Youngsters einfach vom Platz? Weit gefehlt! The Baseballs verbreiteten gute Laune, nahmen sich selbst nicht ernst, witzelten und tanzten, brachten die Menschen vor der Bühne zum Fingerschnippen und Falsettsingen, es wurde gerockt und gerollt, gar nicht peinlich und wieder eine gelunge Abwechslung nach Arch Enemy.
IGGY POP
Endlich halb 10! Nach Stunden Schweiß, Regen und Gatsch ist es endlich soweit und der Godfather of Punk betritt mit seinen vier Mitstreitern die Bühne.
Iggy Pop ist alt, er humpelt stark und trotzdem versprüht er eine Vitalität und Coolness, da können die bösen Buben noch lange vorm Spiegel üben, um auch nur ansatzweise an Hr. Osterberg heran zu kommen. Und zwischen all seinen supercoolen Gebärden, dem Posieren (ohne ein Poser zu sein!), dem Grimassieren für die vielen gezückten Handys, huscht immer wieder ein ganz breites Lächeln über sein Gesicht. Er freut sich, für uns singen zu können, seinen Postbluesprotopunkrocknroll vorspielen zu können.
“I wanna be your dog” und alle singen mit, ob jung, ob alt, Iggy vereint den ewigen Hippie mit dem Metalfan zu einer Gemeinschaft, “The Passenger” und alle tanzen entrückt mit, “Lust for Life”, Iggy streift alle Phasen seiner Karriere in den 1,5 Stunden Spielzeit, The Stooges, seine Berlinphase mit Bowie, dazwischen übergießt er sich immer wieder mit Wasser, er deutet eine Kopulation mit einem Sessel an (bei “Nightclubbing”), beschwört Sister Midnight, gibt sich gelangweilt (I´m bored) und immer wieder das Grinsen, er lebt auf der Bühne, er lebt für die Bühne, in einer seiner Ansagen meint er, dass er beschlossen hat, nicht zu sterben. Nach diesem Auftritt möchte man das fast glauben. (Ar)
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.