Agnes Milewski im Interview, Aspernhofen 2015
Am 20.6.2015 sah sich die ArGe & Family Agnes Milewski und Band am Biobauernhof Teix in Aspernhofen (Niederösterreich) an – leider war dieses „Heimspiel“ (nicht das erste Konzert von Agnes beim Teix) wettertechnisch nicht unbedingt begünstigt, fand daher statt im Hof in der Gaststube statt. Danach gab uns Agnes die Ehre eines Interviews, welches wir ob Troubles mit der Akustik hier leicht gekürzt darstellen. Wir geloben: Die Anschaffung von besseren Aufnahmegeräten (das Nachtippseln eines Interviews möchten wir nämlich nie wieder machen und mit Ton bzw. Bild sieht das auch gleich besser aus …) sowie die Auswahl geeigneterer Ecken und bedanken uns bei Agnes als „erstes Interviewopfer“ der ArGe:
ArGe: Warum hast Du noch keinen Wikipedia-Eintrag?
Agnes Milewski (lächelt): Weil ihn noch keiner geschrieben hat.
ArGe: Das heißt, Du wartest, bis ihn jemand schreibt?
Agnes Milewski: Ja. Wikipedia ist jetzt nicht so die Plattform für Musiker zum Promoten. Wenn Ihr einen schreiben wollt – nur zu! (aufforderndes Lächeln).
ArGe: Ja – aber wir schreiben „unseren“ Wikipedia-Eintrag über Dich (auf der ArGe gibt es bald eine Vielzahl von „Factsheets“ über interessante Künstler. Aber wir werdens gerne nochmals dem Manager (Marcin Suder) weiterleiten;-)
Wobei Dir natürlich für einen Eintrag auch noch ein wenig die Hits fehlen (Kopfnicken Agnes): Du hattest in Deinen Anfangsjahren erste Lorbeeren geerntet (2007 Album „Pretty Boys and ugly girls, 2008 dafür den „Austrian Newcomer Award“), aber der Hit fehlt noch.
Agnes: Ja, ich glaube, da gehören auch 2 dazu – das ist wie bei einer Liebensbeziehung.
ArGe: Willst Du den Hit überhaupt? Suchst Du den?
Agnes: Ich freu’ mich, wenn es Radiosender gibt, die meine Musik spielen, aber Ihr wisst selber, das das in Österreich nicht gerade einfach ist.
ArGe: Du bewegst dich noch ziemlich im „Untergrund“ (leicht trauriges „Ja“ von Agnes). Liegt es am Management oder an der bei Künstlern normalerweise nicht vorhandenen Selbstvermarktungsgabe?
Agnes: Wahrscheinlich beides. Ich gebe offen und ehrlich zu: Ich bin Musikerin, ich beschäftige mich mit Tönen, eher weniger mit Marketing. Man muss heutzutage ohnehin beides machen aber wir machen alle was wir können, jeder in der Band bringt sich ein und alles was in unserer Macht steht, machma.
ArGe: Geht Ihr auf Radiosender zu und sagt „Hallo Ärsche, spielt das“
Agnes: (lacht) Ja, aber nicht in dem Ton – wir bemustern alle Radiostationen und telefonieren nach.
ArGe: Glaubst Du, dass man in Österreich mit englischsprachiger Musik Erfolg haben kann?
Agnes: Ich weiß es nicht. (Denkt kurz nach). Ich glaub schon, Ja. Im Moment ist es halt so, dass deutschsprachige Musik einen extremen Hype hat, was gut ist, endlich weil es wichtig ist dass hier ein Kultur erhalten bleibt, entsteht oder einfach da ist.
ArGe: Welche Kultur? (leicht zynischer Einwand).
Agnes: Musik zu machen in der Landessprache von dem Land, in dem man lebt. Das finde ich sehr schön und sehr wichtig.
ArGe: Diese Kultur wäre ja eher neu zu formieren. Die gab es ja eigentlich noch nicht wirklich…
Agnes: Lange Zeit ein bisschen zu wenig, aber jetzt wieder sehr und da ist gut so und gleichermaßen soll es natürlich genug Platz geben für alle Formen der Kunst.
ArGe: Überlegungen vorhanden, in Deutsch zu singen?
Agnes: Weniger. Weißt warum: Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Ich hab mir da immer ganz schwer getan, auf Deutsch, also in Liedform, das auszudrücken, was ich ausdrücken will.
ArGe: Englisch ist ja auch nicht deine Muttersprachen. Oder?
Agnes: Nein, aber ich finde auf Englisch fällt es mir leichter, Dinge poetisch auszudrücken als auf Deutsch. Ich habe auf einigen Produktionen auch Backing-Vocals auf Deutsch gesungen, das waren dann Jobs, die man macht. Aber für meine Songs finde ich auf Englisch einen leichteren Zugang zu der Welt, in der ich mich künstlerisch befinde und wenn ich spontan etwas improvisiere, dann kommt es auf Englisch raus. Ich habe als Kind wahrscheinlich hauptsächlich englischsprachige Rockmusik gehört – und polnischsprachige natürlich (Anmerkung: Agnes wurde in Polen geboren).
Mit Polnisch ist es noch schwieriger…
ArGe: Du bist ja sehr jung ausgewandert. Habt Ihr dann immer den polnischen Radiosender gesucht?
Agnes: Jaja, wir hatten polnisches Radio im Haus.
ArGe: Deine Familie emigierte aus Polen mit 4 Jahren. Wenn ich zurückrechne, dann war das ja relativ knapp vor der Wende in Polen. Aus politischen Gründen?
Agnes: Ja, hauptsächlich. Und natürlich auch aus wirtschaftlichen Gründen – man muss sich vorstellen, Polen hatte ja von 1981 bis 1983 Kriegsrecht, aber auch nach dessen Abschaffung/Aussetzung war die Lage für die Leute um keinen Deut besser. Es gab überall Milizkontrolle, man konnte von der Polizei jederzeit aufgehalten werden wenn man auch nur spazieren ging, es gab Rationskarten…
Ich erinnere mich noch, als ich ganz klein war wie ich mit meiner Mama in der Schlange stand, um mit Rationskarten Zucker zu kaufen!
Dann sind wir 1987 -wie viele viele andere Polen zu dieser Zeit auch- aus Polen rau – meine Eltern haben dort einfach keine Zukunft für uns mehr gesehen. Mein Vater hatte zwar einen guten Job, hielt man sich aber vor Augen, was in den „Westen“ (z.B. Deutschland) ausgewanderte Menschen verdient haben, wollte man auch in den Westen.
Ich mache immer den Scherz, meine Eltern wollten eigentlich nach Australien auswandern – was auch stimmt. Und so sind wir halt in Österreich hängengeblieben…
ArGe: Wie sieht es mit Dir aus in Sachen „Hängenbleiben“. Hast du Ambitionen, Deine Stimme woanders zu erheben?
Agnes: Ja, eine ganz relalistische Option. Mein Gitarrist und Partner, der Eddie, ist aus Irland und wir haben theoretisch die Möglichkeit, dort zu wohnen und wir planen, zumindest für einige Zeit dort hinzugehen. Mein Traum wäre, zwischen Irland und Österreich zu pendeln.
ArGe: Ist das auch der irische Kick, der in der Musik zu hören ist und an den Instrumenten sichtbar wird?
Agnes: Durchaus. Aber das interessant – ich habe diesen irischen Einfluss auch schon gehabt, bevor ich den Eddie kennengelernt habe.
ArGe: Deine letzte CD „Almost spring“ ist nun auch schon wieder 2 Jahre alt, wann kommt die nächste CD? Bzw. wie lief das mit dem Crowdfunding, welches du ja letztens verwendet hast?
Agnes: (lacht) Es ist ein tolles Tool, Crowdfunding zu machen, es ist auch irrsinnig viel Arbeit drumherum und nachher auch noch. Man sitzt Tage und packt CD’s ein und verschickt sie, was nicht schlimm ist. Aber es ist viel Arbeit und mein Plan ist derzeit, dass wir einfach Singles rausbringen, eine nach der anderen mit Video. Es ist leider heutzutage so, dass man nur mit einem Video auf YouTube irgendwo präsent ist – also man existiert nur, wenn man online existiert.
ArGe: Besteht da nicht die Gefahr, dass man noch weniger verkauft, wenn man online verfügbar ist?
Agnes: Jein – also die meisten Verkäufe finden bei Konzerten statt.
ArGe: Aber Du spielst relativ wenig davon (Konzerte)?
Agnes: Wir spielen eher ausgewählte Sachen – weißt eh: Jeden Gig, wo man auftreten muss zu spielen, zahlt sich am Ende nicht so aus…
ArGe: Auf dem Tisch hinter uns sitzt eine Dame, die vor Jahren in der Linzer Szenerie schon Musik gemacht hat (Anmerkung: Miss Zoufal von F.U.T., Krüppelschlag etc.) und die haben wir zu deiner Musik um Fachmeinung gebeten. Sie meint, es fehle ihr der „Spannungsbogen“.
Agnes: O.K. (überlegt). Ich weiß nicht, eigentlich beschäftigen wir uns sehr mit Spannungsbögen. Ich habe auch schon Kommentare gehört, das meine Songs wie klassiche Musik aufgebaut sind. Ich weiß natürlich nicht, wie Sie’s gemeint hat.
ArGe: Der junge Mann hinter der Kamera hat es so formuliert: „Ich höre keinen Refrain“.
Ich selber warte dann und wann auf einen „Ausbruch“.
Agnes: O.K. Das ist lustig, weil ich höre dazu sehr unterschiedliche Kommentare. Ich habe dazu oft schon genau das Gegenteil gehört.
ArGe: Aber heute bist du nicht emotional ausgebrochen?
Agnes: Es war sehr gemütlich heute. Und Strophe und Refrain haben wir ja auch, ist alles vorhanden;-)
ArGe: Es sind ja auch keine Boom-Tschack-Ramones-Nummern…Hörst Du selber auch hauptsächlich ruhige Sachen?
Agnes: Nein. Um Gottes willen! Aber es ist sicher nicht nur ruhige Musik, die wir spielen!
ArGe: Was hört Agnes Milewski?
Agnes: Ich bin mit Led-Zeppelin aufgewachsen. Das sind für mich nach wie vor Götter. „Stairway to heaven“ war das Erste, was ich auf einer Gitarre gelernt habe. Und wenn Du Dir die Musik von Led Zeppelin anhörst – das ist ja auch nicht Strophe/Refrain. Hör Dir „Stairway to heaven“ an – das ist ein Meisterwerk mit einem Spannungsbogen (zeigt uns einen weiten Bogen)…
ArGe: Entschuldigung, aber meiner Meinung nach das gerade so eine Gitarrenwichsernummer (Ar)
Agnes: Gar nicht, dann hast du nicht Led Zeppelin gehört. Höre dir einmal gerade „Stairway to heaven“ an, wie das Lied aufgebaut ist – das ist alles andere als eine Nummer mit Strophe und Refrain. Ein Spannungsbogen von A bis Z und von vorne bis hinten.
ArGe: Wie ich zum ersten Mal einen Song von Dir gehört habe, habe ich sofort gesagt: Tori Amos.
Agnes: (lächelt) Ja…
ArGe: Das kriegst nicht weg, das bist Du auch!
Agnes: O.K.
ArGe: Gefällt Dir sicher!?
Agnes: Tori Amos ist sehr erfolgreich und sehr gut. Also mit ihr verglichen zu werden, ist eine Ehre.
Mag ich wie viele andere auch, z.B. Kate Bush genauso. Joni Mitchell etwa…
ArGe: Also eher Sachen, die nicht so frisch sind…?
Agnes: Ja. Ja.
ArGe: Und was gefällt Dir heute? Gretchenfrage: Bilderbuch oder Wanda?
Agnes: (grinst) Bilderbuch. Sie sind interessanter. Ich finde sie interessanter, witziger und deswegen charmanter. (kommt ins Schwärmen) Sie sind zu schön exzentrisch. Wanda ist eine coole Rockband aber Bilderbuch sind schränger und interessanter.
ArGe: Wie gefällt Dir der Nino aus Wien?
Agnes: (überlegt) Ich find’s toll, WIE er das macht. Sein ganzes Image, wie er das durchzieht und seine coole, schräge Erscheinung.
ArGe: Glaubst Du, das ist nur Image?
Agnes: Teils, teils. Also ich denke schon, dass er auch so ist, wie er ist – aber das „verstärkt“ er auch ein bisschen.
Hier weiterlesen: Interview mit Agnes Milewski, Aspernhofen, Teil 2
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.